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ProLOEWE Persönlich

Professor Dr. Matthias Hollick Forscher für die Zukunft unserer digitalen Gesellschaft

© @faridehfotografie

Seit Januar 2020 forschen Sie im Rahmen von LOEWE-emergen-CITY zu resilienten Städten. Was können Sie uns als Sprecher des Zentrums zu dem Projekt und dem damit verbundenen Forschungsanliegen erzählen?

LOEWE-emergenCITY befasst sich mit der Frage, wie wir eine resiliente digitale Gesellschaft realisieren können, wir betrachten hierzu digitale Städte. Dass wir uns auf dem Weg hin in die Digitalität, d. h. der festen Integration der Digitalisierung in allen Lebensbereichen, befinden, ist unstrittig. Wir müssen die hierzu notwendige digitale Transformation allerdings besser gestalten, denn schlecht durchgeführt birgt sie einige Risiken.

Hier kommt das Thema Resilienz als eine herausragend wichtige Eigenschaft für die Digitalität ins Spiel. Was bedeutet Resilienz in diesem Zusammenhang? 

Resilienz bezeichnet die Fähigkeit eines Systems, Krisen und Schocks zu absorbieren, sich von diesen zeitnah und nachhaltig zu erholen oder durch Anpassung oder Wandlung einen Notbetrieb zu ermöglichen bzw. neuartige Funktionalität auszubilden; dabei lernen resiliente Systeme aus den gemachten Erfahrungen und entwickeln sich kontinuierlich weiter. Als ein Beispiel: Resiliente Kommunikationssysteme hätten die Kommunikation der Bevölkerung während der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal aufrechterhalten und damit Menschenleben retten können. Unsere Forschung in emergenCITY zielt darauf ab, dass unsere Städte und ihre Bewohnerinnen und Bewohner mit beliebigen Krisen bestmöglich umgehen können. Wenn es uns gelingt, resiliente Informations- und Kommunikationssysteme zu entwerfen und umzusetzen, wird das die Grundlage für resiliente digitale Städte in einer freiheitlichen Gesellschaft sein. Wir arbeiten dazu von Anfang an interdisziplinär und eng mit der Bevölkerung zusammen.

Digitalisierung nimmt in unserer Gesellschaft einen immer größeren Platz ein. Wie sind wir in Deutschland (Europa) dazu aufgestellt und was müssten wir in den nächsten 10 Jahren dringend nachholen?

Im Moment haben wir es uns leider beim Thema Digitalisierung im internationalen Mittelfeld bequem gemacht. Dabei haben wir meiner Meinung nach die für einen Spitzenplatz notwendigen ausgezeichneten Expertinnen und Experten. Mein Team und ich legen viel Wert auf forschungsorientierte Lehre und ich bin immer wieder begeistert, wenn ich innovative Lösungen unserer Studentinnen und Studenten für schwierigste Herausforderungen sehe. Wir bringen an der TU Darmstadt in der Informatik einige der besten jungen Forscherinnen und Forscher international hervor. Aber im Anschluss gelingt es uns als Gesellschaft nur unzureichend, dieses Wissen in innovative Produkte, Neugründungen von Firmen etc. zu lenken. Ich würde mir wünschen, dass wir es einfacher machen, innovativ zu sein. Dabei sehe ich den Staat als Regelgeber, der die Rahmenbedingungen so gestalten muss, dass Innovationen leichter gelingen.

Sie arbeiten seit vielen Jahren als Wissenschaftler: Können Sie sich noch daran erinnern, was für Sie entscheidend dafür war, dass Sie diesen Beruf gewählt haben? 

Das dritte Gesetz des Science-Fiction Autors Arthur C. Clarke lautet: „Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.“* Ich war von Kindesbeinen an neugierig und wollte Dingen auf den Grund gehen, deren Funktion sich mir nicht einfach erschloss und damit „magisch“ erschien. Diese Neugier hat mich zu einem Ingenieursstudium bewegt und im Anschluss erschien mir die Wissenschaft der beste Ort, um ein Leben lang forschen zu können. Die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sind ein so spannendes und wichtiges Feld, dass wir sie viel früher und intensiver in die Ausbildung integrieren sollten. Ich würde mir wünschen, dass es an jeder Schule einen Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin gäbe, die „verrückte“ Experimente gemeinsam mit den Kindern durchführen und damit den Grundstein legten für lebenslange Neugier und Kreativität.

Was macht für Sie persönlich Grundlagenforschung (immer wieder) spannend und warum ist sie für unsere Gesellschaft so wichtig?

Die Informatik ist im Herzen der nächsten großen Transformation der Gesellschaft. Wenn wir in die Vergangenheit schauen, haben wir uns in den Technikwissenschaften von Dampfmaschinen über Elektrisierung und Automatisierung hin zur Digitalisierung und „Softwarisierung“ entwickelt. Ich finde es besonders spannend, dass mein Forschungsthema eines der Zukunftsthemen schlechthin ist. Damit kann ich viele neue Möglichkeiten aufzeigen, wie wir die Zukunft ausgestalten können.

Das LOEWE-Forschungsförderungsprogramm des Landes Hessens ist eine wirklich bedeutende Sache, um die uns Wissenschaftler:innen anderer Bundesländer beneiden. Was macht sie aus Ihrer Sicht besonders?

LOEWE hat es in den letzten 15 Jahren geschafft, die Forschungsstärke der hessischen Hochschulen ganz gezielt zu fördern. In anderen Bundesländern werden Förderprogramme teilweise nur auf eine Legislaturperiode angelegt; dem gegenüber zeichnet sich LOEWE durch eine Kontinuität und Verlässlichkeit aus, die unglaublich wichtig ist für die Grundlagenforschung und Forschung insgesamt. Es ist ein gutes Zeichen, dass unsere Landesregierung die Bedeutung von exzellenter und dazu vor allem auch freier Forschung erkannt hat und diese nicht ständig in Frage stellt.

Wissenschaftler:in ist man aus Berufung, das ist sehr schön, bedeutet aber zugleich auch, dass man die Arbeit nie loslassen kann: Was machen Sie zum Ausgleich?

Wenn man sich keine Freiräume schafft, leidet die Kreativität. Für mich ist meine Familie ein wunderbarer Ausgleich zur Arbeit. Beide Lebensbereiche sind gleichermaßen intensiv und fordern Kraft, sie inspirieren aber auch jeden Tag und – ganz wichtig – beide sind für mich sehr positiv, denn sie helfen, die Welt voranzubringen. Zu sehen, dass ich als Vater, Doktorvater oder Hochschullehrer einen wichtigen Beitrag bei der Entwicklung der Persönlichkeiten der nächsten Generation leiste, macht mich stolz und treibt mich an. Meine Familie hat mich stets unterstützt, dafür bin ich sehr dankbar und versuche in meinem Team gleichermaßen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu befördern.

* Im Jahr 1962 definierte der Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke in seinem Buch „Profiles of the Future: An Inquiry into the Limits of the Possible“ drei Gesetze, von denen das dritte Gesetz das bekannteste und am häufigsten zitierte ist: „Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden“.

Zur Person

Matthias Hollick ist Professor an der TU Darmstadt. Er leitet dort seit 2009 das Fachgebiet Sichere Mobile Netze (SEEMOO) am Fachbereich Informatik und ist außerdem Sprecher des LOEWE-Zentrums emergenCITY. 

Erschienen in ProLOEWE NEWS

ProLOEWE-NEWS Jubiläumsausgabe

Themen

ProLOEWE feiert 10. Geburtstag mit einer großen JUBILÄUMSAUSGABE der ProLOEWE-NEWS. In dieser finden Sie Berichte aus aktuellen und ehemaligen LOEWE-Zentren und -Schwerpunkten, die Themen reichen von KI und Bauen mit Papier bis hin zu ökologischer Landwirtschaft, Klimawissen aus der Vergangenheit und die Zukunft der Mobilität. Ganz besonders freuen wir uns über die zahlreichen Glückwünsche die diese besondere Ausgabe "eröffnen"!

ProLOEWE persönlich

Im ProLOEWE-persönlich gibt Matthias Hollick Einblicke in seine Arbeit. Im zweiten Teil der Ausgabe finden Sie eine Übersicht über die seit Start des Programms geförderten LOEWE-Projekte.

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