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ProLOEWE Persönlich

Professor Dr. Christoph Welsch Mediziner mit Leidenschaft für das Ingenieurwesen

Christoph Welsch
© Don Medina

Prof. Welsch, der LOEWE-Schwerpunkt ACLF-I wird seit 2022 gefördert, Sie sind zunächst als Co und seit Ende 2022 als Sprecher dabei, was genau beforschen Sie und wieso ist das so wichtig für uns alle?

Wir forschen an einem hochdramatischen Krankheitsbild, dem acute-on-chronic liver failure, ACLF, das sich bei chronischen Lebererkrankungen entwickeln kann und unter dem Bild eines Multiorganversagens aktuell eine Sterblichkeit von ca. 40 Prozent in 28 Tagen aufweist. Bisher existieren keine spezifischen Therapieoptionen. Oft müssen Ärzte und Angehörige dabei zusehen, wie sich der Gesundheitszustand Betroffener rasch verschlechtert und sie letztlich versterben. Global gesehen tragen chronische Lebererkrankungen signifikant zur Gesamtmortalität in der Bevölkerung bei und werden zunehmend relevanter. Unsere Arbeit am ACLF ist aber auch deshalb für uns alle bedeutend, weil wir systemmedizinische Zusammenhänge untersuchen, die es gilt besser zu verstehen, um Patient:innen zukünftig ganzheitlicher betrachten und noch zielgerichteter behandeln zu können. Ich glaube, dass wir hier einen Beitrag leisten können, der über die Betrachtung des ACLF hinausgehen kann.

Was war für Sie ausschlaggebend bei Ihrer Berufswahl?

Für mich war lange nicht klar, dass ich Medizin studieren würde, auch komme ich gar nicht aus einem von Medizin geprägten familiären Umfeld – eigentlich wollte ich vielmehr Ingenieurwesen studieren. Die Entscheidung für das Fach Medizin habe ich genau genommen erst sehr spät getroffen – ich würde sagen unmittelbar nach dem Abitur. Ich wollte den Kontakt zu Menschen und hatte ein paar starke Vorbilder, die meine Begeisterung für dieses Fach nachhaltig geweckt haben. Allerdings wollte ich weiterhin auch einen intensiven breiten Bezug zu Naturwissenschaften, und so habe ich die Medizin als eine ideale Kombination für mich gesehen.

Nun sind Sie aber nicht „nur“ Mediziner, sondern haben eine ziemlich ungewöhnliche Ausrichtung hin zu synthetischer Biologie und Strukturbiologie – Wie kam es dazu?

Wahrscheinlich konnte ich mich nicht so ganz von meiner initialen Idee der Ingenieurwissenschaften trennen und meinem Faible für die Wissenschaft. Ich habe in der Biophysik promoviert, was ungewöhnlich für einen Mediziner ist, und ich war und bin fasziniert von Proteinstrukturen, deren Modellierung und der Suche nach neuen Wirkstoffen. Hinzu kam, dass ich damals das Buch „Wirkstoffdesign“ von Böhm, Klebe und Kubinyi gelesen habe, was mich begeisterte. Ich suchte also nach einem Weg, auch in diese Richtung gehen zu können. Nicht alles kann man planen: Aber ich hatte Glück und bekam eine Stelle als Projektleiter in einer Klinischen Forschergruppe und PostDoc am Max-Planck-Institut für Informatik, damals als einziger Mediziner, und konnte so meine ersten Schritte in der Bioinformatik gehen. Heute, ein paar Stationen später, kombinieren wir in meinem Labor Arbeiten am aufgereinigten Protein mit Zellkultur und präklinischen Studien an Kleintiermodellen, ich versorge Patient:innen und verantworte  klinische Studien. So dass ich wieder alle Bereiche zusammenbringen kann, die mich bisher begleitet haben, was ich hoch spannend finde.   

Das hessische LOEWE-Programm ist in dieser Art einzigartig in Deutschland und viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus anderen Ländern beneiden uns darum: Was denken Sie weshalb?

Das LOEWE-Programm ist ein wirklich außergewöhnliches Forschungsförderungsinstrument, das uns ermöglicht neue Wege zu gehen und insbesondere auch neue Partner in Projekte nachhaltig zu integrieren, also eine wichtige strukturbildende Maßnahme der Landesregierung. Genau das, glaube ich, ist uns in unserem LOEWE Schwerpunkt, der ACLF-Initiative, sehr gut gelungen. Wir haben hier einen Verbund in der Breite der Universitätsmedizin Frankfurt entwickeln können der viele unterschiedliche Disziplinen miteinander teils neu verknüpft. Eine Kombination spezifischer Kompetenzen für einzelne Organe und molekulare Prozesse unter Einbeziehung integrativer Modelle und holistischer Ansätze aus der Systemmedizin, die es uns ermöglichen, bisher nicht realisierte Synergien zwischen verschiedenen klinischen Fächern zu entwickeln. Wir können durch das LOEWE-Programm gezielt in diese Vernetzung investieren, bereits existierende Partnerschaften stärken und weiter ausbauen, neue Projektpartner unterstützen und in die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses investieren – das ist in dieser Weise sicherlich einzigartig in der Forschungslandschaft in Deutschland.      

Sie haben einen allumfassenden Beruf als Forscher, in dem Sie noch dazu auch klinisch tätig sind, und in dem Sie sicher auch als Person viel Empathie und Engagement einbringen. Wie schaffen Sie in Ihrer Freizeit einen Ausgleich? 

Für mich ist meine Familie ganz entscheidend! Ich freue mich jeden Abend, wenn ich meine beiden Kinder sehe und sie mir von ihrem Tag berichten und ich achte sehr darauf, Zeit für uns und für unsere Freunde einzuplanen. Ich bin ganz sicher ein Familienmensch – davon profitiere ich sehr und da bekomme ich unglaublich viel zurück! Ich koche gerne und regelmäßig, das gehört sozusagen zu unseren häuslichen Routinen. Dabei höre ich gerne Hörbücher – so kann ich mich für eine halbe Stunde am Tag ausklinken. Ich genieße es gemeinsam mit meiner Frau ins Theater oder zu einem Konzert zu gehen. Außerdem lese ich sehr gerne. Ich gehe joggen, um den Kopf freizubekommen, und ich spiele Tenor- und Alt-Saxophon - Jazz und querbeet durch alle Genres. Auch wenn ich zu den beiden letztgenannten Punkten leider viel zu selten komme.

Zur Person

  • Professor für Synthetische Biologie und Strukturbiologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main
  • Sprecher und Koordinator des LOEWE Schwerpunkts ACLF-I

Erschienen in ProLOEWE NEWS

Cover ProLOEWE 3.2024

Ausgabe 03.2024 | Dezember

Themen

Auch in der Winterausgabe der ProLOEWE-NEWS erwarten Sie wie immer spannende Themen aus dem ProLOEWE-Netzwerk: „Vom Multiskalen Modell zum Digitalen Zwilling“ lautete der Titel der CMMS-Abschlusskonferenz, der hessische Staatsminister Timon Gremmels’ war zur Urkundenübergabe bei LOEWE-Admit, LOEWE-HABITAT mit Forschung zu Gesundheitswarnsystemen basierend auf Wetterprognosen und LOEWE-ACLF-I war Mitgastgeben des 28. Leberforums „Patienten fragen – Ärzte antworten“. Und dann noch ein Abschied von zwei erfolgreichen Zentren: LOEWE- DRUID und LOEWE-TBG, deren Förderung 2024 endet.

ProLOEWE persönlich

Den Mediziner mit Leidenschaft für das Ingenieurswesen und Sprecher von LOEWE-ACLF-I, Prof. Dr. Christoph Welsch, stellen wir Ihnen im Interview vor.

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