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Wirbellose Tiere unterstützen Zersetzungsprozess von Pflanzen: LOEWE-TBG-Forschungsteam untersucht, welche Voraussetzungen ihr Erbgut dafür bereithält

Zu sehen ist eine mikroskopisch vergrößerte Hornmilbe.
© Andy Murray, chaosofdelight.org
Auch Bodentiere wie Hornmilben (hier Steganacarus sp.) könnten laut der Studie eine wichtige, bisher übersehene Rolle im Kohlenstoffkreislauf von Böden spielen

Wenn Pflanzen absterben, werden sie von einer Vielzahl kleiner Lebewesen zersetzt. Bisher wurde angenommen, dass hauptsächlich Pilze und Bakterien an diesem Prozess beteiligt sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des hessischen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG) konnten in einer im Fachjournal „Molecular Biology“ veröffentlichten Studie jedoch zeigen, dass auch wirbellose Tiere an diesem Prozess beteiligt sein könnten.

Die mikroskopisch kleinen Lebewesen, zu denen auch Springschwänze (Collembola) oder Hornmilben (Oribatida) gehören, leben in großer Anzahl im Erdboden, wo sie organische Substanzen abbauen und Nährstoffe freisetzen. Nach neusten Erkenntnissen könnten sie auch direkt am Abbau abgestorbenen Pflanzenmaterials beteiligt sein. Für das Zersetzen von pflanzlichen Zellwänden ist ein bestimmtes Enzym nötig. Die Forscherinnen und Forscher von LOEWE-TBG konnten im Rahmen detaillierter Genomanalysen unterschiedlicher Arten von Springschwänzen und Hornmilben genau dieses Gen identifizieren. Die Doktorandin von Professor Dr. Ingo Ebersberger und Erstautorin der Studie Hannah Mülbaier hat eine neue Software entwickelt, die es ermöglicht gezielt nach bestimmten Genen in Genomen zu suchen. Diese hat maßgeblich zum Erfolg der Studie beigetragen.

„Neue genomische Analysemethoden verhelfen uns zu wichtigen Erkenntnissen über diese artenreiche Tiergruppe, die aufgrund ihrer kleinen Größe und enormen Vielfalt schwer zu erfassen ist”, kommentiert Co-Studienleiter Ingo Ebersberger, Professor für Angewandte Bioinformatik am Fachbereich Biowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt und Mitglied des LOEWE-Zentrums TBG dazu.

Das interdisziplinäre Forschungsteam schlussfolgert aus ihren Analysen, dass wirbellose Arten bereits sehr früh in der Stammesgeschichte die Fähigkeit zur Zersetzung der Zellulose erworben haben. Damit spielen sie schon seit langer Zeit eine unübersehbare Rolle bei der Zersetzung von Pflanzenresten sowie im Kohlenstoffkreislauf der Böden. Aus diesem Grund plädieren die Studienautor:innen dafür, wirbellose Bodentiere neben Pilzen und Bakterien als dritte evolutionär und ökologisch eigenständige Gruppe mit Fähigkeit zur Zellulosezersetzung zu betrachten. Die Berücksichtigung der wirbellosen Arten als Teil des Kohlenstoffkreislaufes sei entscheidend, da sie anders auf Umweltveränderung reagieren könnten und es somit ebenfalls zu Veränderungen der Zersetzungsprozesse kommen könnte.