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Weniger unbeabsichtigte Nebenwirkungen: Forschungsteam unter Beteiligung von LOEWE-GLUE findet durch Einsatz von Algorithmus ungenutzte Angriffspunkte für Medikamente

Computergestützte Analyse bereichert die Arzneimittelforschung: Ein internationales Team unter Beteiligung des LOEWE-Schwerpunkts GLUE (GPCR Ligands for Underexplored Epitopes) hat eine Software zu Hilfe genommen, um neue Angriffspunkte für künftige Medikamente zu finden und war erfolgreich:  Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entdeckten bei einer der größten Proteinfamilien mehrere neue Kopplungsstellen, an denen Wirkstoffe ansetzen können. Das Forschungsteam berichtet jetzt im Wissenschaftsmagazin „Nature Communications“ über die Ergebnisse.

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, kurz GPCR bilden die größte Familie von Proteinen, die als Ziel von Medikamenten dienen und sind an zahlreichen Lebensvorgängen beteiligt. Hierzu zählen Entzündungen, die Verarbeitung von Sinnesempfindungen und die Wirkung von Hormonen. Das spiegelt sich auch in der Bedeutung dieser Proteine für die Medizin wider: Fast ein Drittel der rezeptpflichtigen Arzneimittel richtet sich gegen GPCR. „Um die Proteine zu blockieren oder zu stimulieren, benötigt man Wirkstoffe, die genau in eine der zahlreichen Bindungstaschen der Proteine passen“, erläutert der Pharmazeutische Chemiker Professor Dr. Peter Kolb von der Philipps-Universität Marburg, einer der Leitautoren des Fachaufsatzes.

Um ihre Wirkung zu entfalten, koppeln Hormone und andere körpereigene Botenstoffe an die Bindungstaschen der GPCR-Proteine. Man kann die Wirkung dieser Botenstoffe unterdrücken, indem man die Bindungstaschen anderweitig besetzt. „Die bisher genutzten Kopplungsstellen ähneln einander jedoch häufig sehr stark“, so Kolb. Weshalb die Arzneistoffe oft zu wenig selektiv wirken und so die Gefahr von Nebenwirkungen steigt. Ein Beispiel: Betablocker werden verwendet, um ein GPCR-Protein im Herzen zu blockieren; schaltet man dasselbe Ziel jedoch im Lungengewebe aus, kann dies Asthmaanfälle auslösen.

Um neue Bindungsstellen zu finden, taten sich die Arbeitsgruppen von Kolb und dessen Marburger Pharmazie-Kollegen Professor Dr. Moritz Bünemann zusammen. Sie sind beide Wissenschaftler beim LOEWE-Schwerpunkt GLUE. „Wir haben computergestützt nach alternativen Bindestellen auf 113 verschiedenen GPCR-Proteinen gesucht“, berichtet Kolbs Mitarbeiter und Koautor Janik B. Hedderich. Dabei simulierte und analysierte der Algorithmus, was passiert, wenn kleine Moleküle an unterschiedliche Stellen der Proteine koppeln. „Auf diese Weise fanden wir tatsächlich mehrere Bindungstaschen, die bisher nicht als Ziel von Medikamenten dienen“, führt der Doktorand aus.

Experimentelle Untersuchungen an zwei der gefundenen Bindungstaschen ergänzen die Berechnungen. „Wir fügten Mutationen in diese zwei Taschen ein“, erläutert Mitverfasser Moritz Bünemann. „Die Ergebnisse bestätigen, dass diese Proteinabschnitte eine ausschlaggebende Funktion für die Aktivität der GPCR-Proteine innehaben.“

Die Studie stellt die derzeit umfassendste Analyse von GPCR-Bindungstaschen dar. Neben dem Marburger Team beteiligte sich eine kanadische Arbeitsgruppe an den Forschungsarbeiten.  Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Horizon 2020-Programm der Europäischen Union, das GLUE-Projekt sowie die kanadische Förderorganisation CIHR unterstützten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finanziell.

Originalveröffentlichung: Janik B. Hedderich & al.: The pocketome of G protein-coupled receptors reveals previously untargeted allosteric sites, Nature Communication 2022


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