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Virusherkunft: Zweifel an Fledermaus und Schuppentier als Überträger – Stefan Prost von LOEWE-TBG äußert sich in einem Beitrag von science.ORF.at

© Jiri Prochazka/stock.adobe.com

Stefan Prost von LOEWE-TBG warnt im Gespräch mit science.ORF.at vor vorschnellen Schuldzuweisungen an Schuppentiere oder Fledermäuse als Überträger von SARS-CoV-2 auf den Menschen

Von Wildtieren ist das Coronavirus irgendwann auf den Menschen übergesprungen. Zuletzt wurde das Schuppentier als Überträger ins Spiel gebracht: In Proben geschmuggelter und beschlagnahmter Schuppentiere wurde von Forschern kürzlich eine Art SARS-CoV-2-Infektion festgestellt, deren Viren laut einer in „Nature“ erschienenen Studie zu etwa 85 bis 92 Prozent genetisch identisch mit SARS-CoV-2 waren. Bereits im Januar 2020 berichteten Wissenschaftler in einem der renommiertesten medizinischen Fachmagazine, „The Lancet“, dass SARS-CoV-2 genetisch zwei Virusstämmen in wildlebenden Fledermäusen ähnelt. Hier lag die Übereinstimmung bei 88 bis 96 Prozent.

Doch dies seien keine ausreichenden Belege für eine direkte Übertragung, erklärt der Experte für Wildtiergenetik Stefan Prost vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) an der Senckenberg Gesellschaft in Frankfurt gegenüber science.ORF.at. Denn trotz der großen Übereinstimmung gebe es entscheidende Unterschiede, wie zum Beispiel die sogenannten Bindungsstellen des Fledermaus-Erregers, die nach ersten Analysen nur schlecht an Rezeptoren menschlicher Zellen andocken können. „Nach heutigem Standpunkt sind weder Fledermäuse noch Schuppentiere die wahrscheinlichen Zwischenwirte für SARS-CoV-2. Allerdings wurden erst wenige Tiere getestet – zu wenige, um eindeutige Aussagen treffen zu können“, so Prost. Eine vorschnelle Verurteilung der Schuppentiere würde der ohnehin vom Aussterben bedrohten Art jedoch sehr schaden, warnt der Biologe.

Um zukünftig zoonotische Epidemien oder Pandemien, bei denen sich der Erreger von Tieren auf Menschen überträgt, zu vermeiden, müsse sich der Umgang mit Tieren und die hygienischen Bedingungen auf Wildtiermärkten wie im chinesischen Wuhan drastisch ändern, fordert der Experte.

Das Gespräch mit Stefan Prost führte Eva Obermüller, science.ORF.at.