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Mildes Bienengift hat größeres Anwendungspotenzial, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von LOEWE-TBG in aktueller Studie zeigen

Das Gift von Wildbienen wie der Violetten Holzbiene (Xylocopa violacea) wirkt mit seinem Hauptbestandteil Melittin weniger aggressiv als das von Honigbienen, entdeckte ein Team des LOEWE-Zentrums TBG. Es könnte künftig unter anderem gegen Brustkrebszellen
© Björn M. von Reumont
Das Gift von Wildbienen wie der Violetten Holzbiene (Xylocopa violacea) wirkt mit seinem Hauptbestandteil Melittin weniger aggressiv als das von Honigbienen, entdeckte ein Team des LOEWE-Zentrums TBG. Es könnte künftig unter anderem gegen Brustkrebszellen

Das Gift der Honigbiene wird seit Jahrhunderten in der traditionellen Medizin als entzündungshemmendes Mittel geschätzt. Wissenschaftlich gut untersucht ist dabei nur der Hauptbestandteil Melittin. Mit seiner starken Wirkung kann der Naturstoff in der Anwendung jedoch auch gesunde Zellen schädigen.

Wird in der Öffentlichkeit von Bienen gesprochen, ist meist  die Honigbiene (Apis mellifera) gemeint. Dabei sind es die Wildbienen die bei Weitem die meisten Arten in der Gruppe der Bienen stellen und auch viele Pflanzenarten sind ausschließlich auf Wildbienen als Bestäuber angewiesen.

Forscher:innen des hessischen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG) zeigen nun in einer im Fachjournal „Toxins“ veröffentlichten Studie eine weitere Facette der Bedeutung von Wildbienen: In deren bisher wenig untersuchten Giften konnten sie ursprünglichere Varianten von Melittin nachweisen, einem Peptid aus 26 Aminosäuren und wichtigster Inhaltsstoff des Bienengifts. Melittin aus dem Gift der Honigbiene ist schon länger dafür bekannt, in Laborexperimenten eine starke Wirkung zu entfalten. So wirkt es bei Entzündungen ungefähr einhundertmal stärker als Cortison. Auch als Wirkstoff gegen Mikroben und Krebszellen wird Melittin erforscht. Dessen Nachteil: Mit seiner intensiven Wirkung werden auch gesunde Zellen geschädigt, was die Anwendung deutlich erschwert.

„Die Idee für unsere vergleichenden Analysen war, dass Melittin erst im Laufe der Evolution so stark toxisch geworden ist und die evolutionär älteren Wildbienen eventuell ursprünglichere Melittin-Varianten im Gift produzieren, die pharmakologisch besser nutzbar sind“, berichtet Koautor Dr. Björn M. von Reumont vom Fachbereich Biowissenschaften der Frankfurter Goethe-Universität, Experte für die Evolution von Gift und Giftgenen unter anderem in Hautflüglern.

„Im Blickpunkt dieser Forschung standen die unterschiedlichen Wirkungsweisen auf Entzündungen und Krebserkrankungen“, so Prof. Dr. Robert Fürst vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Frankfurter Goethe-Universität. Seine Mitarbeiterin Dr. Pelin Erkoc-Erik, Erstautorin der Publikation, erklärt: „Dafür haben wir die Auswirkungen von Melittin-Peptiden auf die Zellschädigung sowie die Freisetzung von Botenstoffen und Entzündungsmarkern geprüft – und zwar sowohl in krebsartigen als auch in nicht-krebsartigen menschlichen Zellen.“ Aufgefallen ist dem Team dabei unter anderem das Melittin der Violetten Holzbiene, einer Wildbienenart. Dieses zeigte in den Laboranalysen eine vielversprechende Wirkung auf Brustkrebszellen.

Die Forscher sind sich einig, dass die in den Wildbienenarten entdeckten Melittin-Peptide tatsächlich neue und weniger aggressive Aktivitäten erkennen lassen und damit möglicherweise Potenzial für künftige pharmazeutische Anwendungen versprechen. So ist zum Beispiel von Reumont als Mitverantwortlicher im Europäischen Giftnetzwerk (COST Action EUVEN) an einem Projekt beteiligt, in dessenRahmen  die Evolution und Anwendung der Gifte von Bienen und anderen wirbellosen Tieren, unter anderem gegen Krebsleiden, genauer erforscht wird. Auch die an der Studie beteiligten Wissenschaftler:innen des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Gießen sowie des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP in Frankfurt gehen den neuen Erkenntnissen weiter nach. Grundlagenforschung und angewandte Forschung in einem translationalen Ansatz miteinander zu verknüpfen, ist Ziel des LOEWE-Zentrums TBG.