Übersicht

Nachrichten

LOEWE-TBG untersucht wie der Chagas-Erreger die Darmflora der Raubwanze verändert

Rhodnius prolixus (Raubwanze)
© Dr. Erwin Huebner, University of Manitoba, Winnipeg, Canada/Wikimedia Commons
Rhodnius prolixus (Raubwanze)

Blut saugende Raubwanzen übertragen in Mittel- und Südamerika die Erreger der weit verbreiteten Chagas-Krankheit. Da die Krankheit schwere Symptome verursachen kann und es bislang keinen Impfstoff gegen die verursachenden Trypanosoma-Parasiten gibt, bekämpft man derzeit hauptsächlich die Raubwanzen und tötet sie mit Insektenvernichtungsmitteln. Die Parasitologen und Infektionsbiologen Fanny Eberhard und Prof. Sven Klimpel von der Goethe-Universität Frankfurt, der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung und dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik haben jetzt in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Instituto René Rachou im brasilianischen Belo Horizonte untersucht, wie Chagas-Trypanosomen die Bakteriengesellschaft im Darm der Raubwanzen verändern. Dazu nutzten sie Erbgutanalysen, mit denen sie die Zusammensetzung der Bakteriengesellschaft im Raubwanzendarm, das Mikrobiom, vor und nach der Infektion mit dem Erreger vergleichen konnten (metagenomische Shotgun-Sequenzierung).

Zwischen sechs und sieben Millionen Menschen überwiegend in Mittel-und Südamerika sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit mit Trypanosomen der Art Trypanosoma cruzi infiziert. Die einzelligen (protozoischen) Parasiten verursachen die Chagas-Krankheit (Amerikanische Trypanosomiasis), die in der akuten Phase unauffällig verläuft: Nur in jedem dritten Fall entwickeln die Infizierten überhaupt Symptome, die dann auch noch unspezifisch sein können, wie Fieber, Nesselsucht und geschwollene Lymphknoten. Doch die Parasiten bleiben im Körper, und viele Jahre später kann die chronische Chagas-Krankheit lebensbedrohlich werden, mit einer krankhaften Vergrößerung des Herzens und einer fortschreitenden Lähmung des Magen-Darm-Trakts.

Die Chagas-Trypasomanen werden von Blut saugenden Raubwanzen der Insekten-Unterfamilie der Triatominae übertragen. Mit ihrem Stich nehmen sie die Trypanosomen auf, die sich im Darm der Raubwanzen festsetzen. Durch den Kot, den die Wanzen meist neben der Stichwunde absetzen, scheiden sie den Erreger aus, der häufig beim Kratzen des stark juckenden Stichs unabsichtlich in die Wunde eingerieben wird.

Bei der Untersuchung, wie Chagas-Trypansosomen die Bakteriengesellschaft im Darm der Raubwanzen verändern, fanden die Parasitologen und Infektionsbiologen heraus, dass nach der Infektion die Vielfalt an Bakterien im Raubwanzendarm deutlich abnahm. Ferner gelang es den Forscher:innen, vier Bakterienarten zu identifizieren, die wahrscheinlich für die Raubwanze wichtige Funktionen etwa der Synthese von B-Vitaminen übernehmen.

Fanny Eberhard erläutert: „Vitamin B gehört zu den Nährstoffen, die blutsaugende Insekten nicht über ihre Blutmahlzeiten erhalten. Vitamin-B-herstellende Bakterien sind daher für die Raubwanzen sehr wichtig, kommen praktisch bei allen Individuen vor und bleiben auch generationenübergreifend im Raubwanzendarm erhalten. Solche Bakterien eignen sich daher potenziell dafür, mit Genen für Abwehrstoffen gegen Chagas-Trypanosomen ausgestattet zu werden.“

Prof. Sven Klimpel führt weiter aus: „Letztlich ist es unser Ziel, dass sich die Raubwanzen selber gegen Chagas-Trypanosomen wehren und auf diese Weise die Infektion von Menschen verhindert wird. Bevor man allerdings Bakterien mit derartigen Eigenschaften ausstatten und Raubwanzen mit diesen Bakterien dann freisetzen kann, müssen wir besser verstehen, wie die Ökologie des Raubwanzendarms aussieht und wie die tiefgreifenden Interaktionen zwischen Wirt, Erreger und Mikrobiom genau vonstattengehen. Dazu liefert unsere Arbeit einen essentiellen Beitrag.“