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Erstaunliche Erkenntnisse zu Spinnengiften von LOEWE-TBG: Enzyme zeigen bioökonomisch nutzbares Potenzial
Als Gifttiere setzen Spinnen die von ihnen produzierten Wirkstoffe zum Beutefang oder zur Verteidigung ein. Erstmals haben Wissenschaftler:innen des hessischen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) am Gießener Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie, Institutsteil Bioressourcen (IME-BR) neben den schon vielfach untersuchten Neurotoxinen, die schädigend auf das zentrale Nervensystem des Gegenübers wirken, nun auch im Spinnengift enthaltene Enzyme analysiert. Dabei entdeckten sie eine große, bisher übersehene Vielfalt der Eiweißmoleküle, die biochemische Stoffwechselprozesse antreiben. Interessant könnten diese laut der Forscher:innen auch für eine bioökonomische Anwendung sein. Ihre Ergebnisse sind im Journal „npj Biodiversity“ veröffentlicht, das zur Gruppe der „Nature“-Fachzeitschriften gehört.
„In der Vergangenheit deuteten einige wissenschaftliche Arbeiten zwar auf die Präsenz von Enzymen in Spinnengiften hin, doch eine gezielte Suche nach ihnen wurde nie durchgeführt. Wir haben uns dieser Aufgabe gestellt und systematisch die Rohdaten aller Spinnen, die bisher hinsichtlich ihrer Gifte analysiert wurden, nach Enzymen durchsucht. Dabei konnten wir zeigen, dass in ihren Giften insgesamt tatsächlich mehr als 140 verschiedene Enzymfamilien zu finden sind“, erläutert Studienleiter Dr. Tim Lüddecke, Leiter der Arbeitsgruppe „Animal Venomics“ am Gießener IME-BR und der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Dies bedeutet unter anderem, dass wir die chemische Vielfalt in Spinnengiften bisher dramatisch unterschätzt haben, da alle Kalkulationen zur Komplexität lediglich auf den Neurotoxinen basieren.“
Die Ergebnisse der Arbeit ermöglichen laut der Autor:innen nicht nur neue Forschungsansätze zum besseren Verständnis der Evolution und Funktion von Spinnengiften, sondern eröffnen auch neue Perspektiven für ihre Nutzung. „Enzyme sind zentrale Bausteine der Bioökonomie. Sie beschleunigen chemische Reaktionen und zeichnen sich durch ihre sehr geringe Nebenproduktbildung, geringen Energieaufwand und ihre biologische Abbaubarkeit aus. Mit ihnen kann also ungemein nachhaltig Wertschöpfung betrieben werden. Die Industrie ist daher ständig auf der Suche nach neuen Quellen für Enzyme“, erklärt Josephine Dresler, Doktorandin der Arbeitsgruppe und Erstautorin der Studie. „Einige Enzyme, die wir identifiziert haben, könnten durch ihre fettspaltende oder proteinabbauende Wirkung beispielsweise in Waschmitteln oder der Abfallbeseitigung eingesetzt werden. Sie könnten dort signifikant zu einer Nachhaltigkeitstransformation beitragen“, ist Dresler überzeugt.
Publikation in npj Biodiversity: