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Gefährdet, aber nicht geschädigt – Neue Studie von LOEWE-TBG zeigt, der Walfang hat keine Auswirkung auf genomische Vielfalt des Finnwals

Finnwal
© Christian Valle, Robert Harding
Finnwal

Finnwale sind die zweitgrößten Lebewesen unseres Planeten, nur noch übertroffen von den Blauwalen. Sie können eine Länge von rund 20 Metern erreichen – und benötigen bis zu zwei Tonnen Nahrung pro Tag. Entsprechend geben sie enorme Mengen an Nährstoffen frei – mit deutlichen Auswirkungen auf die Ökosysteme der Ozeane. Der industrielle Walfang hat ihre Zahl jedoch erheblich reduziert. Er war auf den Tran der Wale als Rohstoff ausgerichtet und wurde besonders intensiv zwischen 1880 und einer internationalen Übereinkunft 1986 betrieben. Heute wird die Anzahl der Finnwale weltweit auf etwa 100.000 Tiere geschätzt; die Art gilt laut Roter Liste als gefährdet.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG), des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums (SBiK-F) sowie von isländischen und schwedischen Forschungseinrichtungen zeigten in einer Studie, dass durch den Walfang die genetische Vielfalt der Finnwale nicht beeinträchtigt wurde. Sie untersuchten dafür erstmals 51 Genome einer nordatlantischen Finnwal-Population aus isländischen Gewässern. Anhand der Proben aus den Jahren 1989, 2009 und 2018 entwickelten sie demographische Modelle, die Rückschlüsse auf die Populationsveränderungen über rund 800 Jahre erlauben. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Molecular Biology and Evolution“ veröffentlicht. 

Das Team kommt zu dem Schluss, dass der Walfang einen starken Einfluss auf die Bestände im Nordatlantik hatte und sie innerhalb von rund einhundert Jahren auf bis zu zwanzig Prozent ihrer vorherigen Größe dezimierte. Allerdings zeigte das Team auch, dass verschiedene Populationen unterschiedlich stark vom Walfang getroffen wurden, da die Genome mancher Tiere kaum oder keine Spuren dieser Bestandsverringerung aufwiesen. „Der Blick auf die genetische Vielfalt einer Art erlaubt Rückschlüsse darauf, ob und wie gut sich diese Art an neue Umweltbedingungen oder Veränderungen ihrer Population anpassen kann, oder ob sie vermutlich aussterben wird“, erläutert der Erstautor der Studie, Magnus Wolf vom SBiK-F und dem Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität Frankfurt. „Daher lassen sich anhand der genomischen Analyse häufig bereits Entwicklungen erkennen, bevor sie offen zutage treten. Bei den nordatlantischen Finnwalen konnten wir jedoch in der langfristigen Perspektive keinen deutlichen Verlust ihrer Diversität feststellen.“ Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler:innen weder Anzeichen von weiteren Gendefekten noch von Inzucht.

Im Vergleich zu stärker gefährdeten Walarten wie dem Blauwal oder dem Nordatlantischen Glattwal scheint der Erholung der Finnwale also vor allem der aktuelle Einfluss des Menschen im Weg zu stehen. Dazu zählen unter anderem der steigende Schiffsverkehr und die Verschmutzung der Meere. Von der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) sind Finnwale auf der Roten Liste als gefährdete Art eingestuft. „Die Genomik entwickelt sich zu einer Schlüsseltechnologie nicht nur für den Artenschutz, sondern hilft uns auch zu verstehen, was Biodiversität eigentlich ist und wie wir sie nutzen können“, erläutert Prof. Dr. Axel Janke, leitender Wissenschaftler der Studie, wissenschaftlicher Koordinator und Sprecher des LOEWE-Zentrums TBG und ebenfalls am SBiK-F und dem Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität Frankfurt tätig. „Wale sind nicht nur beeindruckende Tiere, sondern scheinen auch trotz ihrer langen Lebensdauer von bis zu einhundert Jahren und ihrer Körpergröße kaum Tumore zu entwickeln und damit resistent gegen Krebs zu sein. Die Entschlüsselung der genomischen Mechanismen, die dieses Paradoxon verursachen, könnte uns helfen, eine der folgenreichsten Krankheiten in der Geschichte der Menschheit anzugehen.“