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Forschende von LOEWE-TBG sequenzieren Genom des kleinsten Bartenwals und erhalten Einblick in Evolution und Tumorresistenz

Der Zwergglattwal (Caperea marginata) wird selten gesichtet und ist bisher kaum erforscht. Nun zeigt die Analyse seines Genoms interessante Ergebnisse für die Tumorforschung.
© World Register of Marine Species, Robert Pitman, NOAA Fisheries, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
Der Zwergglattwal (Caperea marginata) wird selten gesichtet und ist bisher kaum erforscht. Nun zeigt die Analyse seines Genoms interessante Ergebnisse für die Tumorforschung.

Der Zwergglattwal (Caperea marginata) ist mit sechs Metern Länge und einem Gewicht von drei Tonnen der kleinste aller Bartenwale. Als letzter überlebender Vertreter eines ansonsten ausgestorbenen Familienzweiges der Bartenwale ist er noch wenig erforscht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG), der Goethe-Universität Frankfurt und der schwedischen Universität in Lund haben das Genom des Bartenwals analysiert und dabei herausgefunden, dass das Erbgut des Tieres für die Krebsforschung interessante Informationen bereithält.

Wale sind aufgrund ihrer riesigen Körper prädestiniert für Tumorerkrankungen. Je mehr Zellen vorhanden sind und sich teilen, desto eher kann eine Mutation an einer entscheidenden Stelle das Erbgut schädigen und die Entwicklung eines Tumors auslösen. Dennoch scheinen Wale ungewöhnlich selten an Krebs zu erkranken. Dieses Phänomen der Onkologie und Statistik, benannt nach seinem Entdecker Richard Peto, wird auch als „Petos Paradoxon“ bezeichnet. Mit der Sequenzierung des Genoms des Zwergglattwals konnten die Forschenden herausfinden, dass dieser weniger Genmutationen aufweist als andere Walarten. Entgegen der Annahme, dass Genmutationen grundsätzlich als schädlich angesehen werden, könnten diese bei Walen eine positive Auswirkung haben und eine besondere Rolle für die Krebsresistenz spielen.

„Unsere neuen Erkenntnisse zeigen, dass offenbar fast alle großen Walarten unterschiedliche positiv selektierte Gene in ihren Genomen aufweisen. Dies lässt sich möglicherweise mit der bereits in der Paläontologie diskutierten Idee erklären, dass der für Bartenwale so typische Gigantismus im Laufe der Evolution wahrscheinlich mehrfach und unabhängig voneinander entstanden ist“, erklärt Magnus Wolf vom SBiK-F und der Frankfurter Goethe-Universität, Erstautor der Studie. „Das bedeutet, dass jede große Walart eine eigene Form der Tumorresistenz entwickelt haben könnte, die sich hoffentlich in Zukunft medizinisch nutzen lässt.“

„Unsere Studie entspricht genau dem Ansatz und dem Motto des LOEWE-Zentrums TBG: ‚dokumentieren – schützen – nutzen‘. Die genomischen Daten zeigen und vermitteln die Biodiversität und tragen zu Maßnahmen zu ihrer Erhaltung bei. Gleichzeitig sind diese Erkenntnisse aus anwendungsorientierter Perspektive für die Medizin wertvoll“, erläutert Studienleiter Professor Dr. Axel Janke, ebenfalls Wissenschaftler am SBiK-F und der Frankfurter Universität, der das hessische LOEWE-Exzellenzzentrum TBG mit aufgebaut und sechs Jahre lang geleitet hat.