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Evolutionäres Geheimnis um „lebendes Fossil“ gelüftet: Weltweit erste Sequen-zierung des Brückenechsengenoms bringt Licht in Verwandtschaftsverhält-nisse der Reptilien und ihre Langlebigkeit

Brückenechse
© Bernard Spragg. NZ
Brückenechse

Frankfurt, 05.08.2020. Ihre Vorfahren durchstreiften einst mit Dinosauriern die Erde – heute sind Brückenechsen nur noch in Neuseeland zu finden. Erstmals hat nun ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen, zu dem auch Dr. Stefan Prost vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) gehört, das Genom dieses seltenen und bemerkenswerten Reptils entschlüsselt. Die Ergebnisse, die heute in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurden, ermöglichen es, die Brückenechse besser in der evolutionären Entwicklung der Arten zu verorten. Sie geben aber auch Einblick in die genomischen Grundlagen ihrer Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten. Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler*innen und lokalen Māori-Gemeinschaften durchgeführt.

Um 67 Prozent ist das Genom der Brückenechse größer als das des Menschen. Sein neu erforschter Aufbau gibt Einblick in die Frage, wie Brückenechsen 100 Jahre und älter werden können. „So ergab unsere Analyse, dass sie mehr derjenigen Gene besitzen, die den Körper vor den Auswirkungen des Alterns beschützen, als jede andere bisher untersuchte Wirbeltierart“, berichtet Dr. Stefan Prost, Wissenschaftler am LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Zudem scheinen Brückenechsen auch wenig anfällig für Krankheiten zu sein.

Mit dem sequenzierten Genom verfügt die internationale Wissenschaftsgemeinschaft nun über eine Blaupause, um die vielen einzigartigen biologischen Merkmale der Brückenechsen zu untersuchen. Darüber hinaus tragen die Ergebnisse dazu bei, die Evolution der sogenannten Amnioten zu verstehen, einer Gruppe, der Vögel, Reptilien und Säugetiere angehören. „Auch das Verständnis unserer eigenen Biologie und Gesundheit könnte durch die neuen Forschungsgrundlagen verbessert werden“, mutmaßt Prof. Neil Gemmell, Genetiker an der Anatomieabteilung der neuseeländischen Universität von Otago und Leiter der Studie.

Eine Besonderheit des Forschungsprojekts, das sich über die vergangenen acht Jahre erstreckte und an dem über 60 Forscher*innen beteiligt waren, ist die Zusammenarbeit mit lokalen Māori-Gemeinschaften in Neuseeland. „Dieses Projekt lief über mehrere Jahre, da es technisch sehr anspruchsvoll war. Zudem stellen Brückenechsen für Māori geschütztes Kulturgut, ein sogenanntes Toanga, dar, und sie sind stark vom Aussterben bedroht. Daher war es wichtig, alle Aspekte genau abzustimmen. Wir hoffen, dass diese Veröffentlichung zum Schutz der Brückenechsen beiträgt und darüber hinaus als Bespiel für andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dient, wie wichtig und zuträglich es ist, mit lokalen Gemeinschaften zu arbeiten. Denn nur zusammen können wir voneinander lernen und so unsere Natur besser verstehen, um einen Grundstein für ihren Schutz zu legen“, so Prost.