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Elektronen-Highway für Wasserstoff- und Kohlendioxid-Speicherung in Bakterien entdeckt – ehemaliges LOEWE-Zentrum „SYNMIKRO“ beteiligt
Eine Forschungsgruppe des ehemaligen LOEWE-Zentrums SYNMIKRO in Marburg hat zusammen mit Kolleg:innen aus Frankfurt am Main und Basel die Struktur eines Bakterien-Enzyms aufgeklärt, das aus molekularem Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) Ameisensäure bildet. Die jetzt erstmals atomgenau beschriebene, fadenförmige Struktur des Enzyms wirkt wie ein Nanodraht und ist offenbar für die extrem effiziente Umwandlung der beiden Gase verantwortlich, berichtet das Team im Wissenschaftsmagazin „Nature“.
Das wärmeliebende Bakterium Thermoanaerobacter kuvui lebt fern vom Sauerstoff zum Beispiel in der Tiefsee und nutzt CO2 und Wasserstoff zur Energiegewinnung. Der Mikroorganismus besitzt ein außergewöhnliches Enzym: die Wasserstoff-abhängige CO2-Reduktase HDCR (hydrogene dependent CO2 reductase). „Sie stellt aus gasförmigem Wasserstoff und Kohlendioxid Ameisensäure her, wobei der Wasserstoff Elektronen an das Kohlendioxid überträgt“, erläutert der Marburger Strukturbiologe Dr. Jan Schuller von SYNMIKRO, einer der Leitautoren der aktuellen Studie. Damit ist die HDCR das erste bekannte Enzym, das direkt Wasserstoff nutzen kann.
Die HDCR von Thermoanaerobacter kuvui besteht aus vier Protein-Modulen: einem Wasserstoff-spaltenden und einem Ameisensäure-bildenden Modul – einer Formiat-Dehydrogenase – sowie zwei kleinen Eisen-Schwefel-haltigen Modulen. Erstaunlicherweise bildet das Enzym lange Fäden und: „Wie wichtig diese Struktur war, konnten wir daran erkennen, dass die Fadenbildung die Enzymaktivität stark stimuliert“, erklärt der Frankfurter Mikrobiologe Professor Dr. Volker Müller, der das Enzym entdeckte.
Durch cryo-elektronenmikroskopische Analysen gelang Schullers Gruppe die Bestimmung der Raumstruktur in atomgenauer Auflösung. Damit wurden die Details der langen Filamente sichtbar, die das Enzym unter den experimentellen Bedingungen im Labor bildet: Das Rückgrat der Filamente besteht aus den beiden kleinen Untereinheiten der HDCR, die so zu einer Art Nanodraht mit Tausenden von Elektronen-leitenden Eisenatomen zusammengelagert sind. „Dies ist der bisher einzige enzymatisch dekorierte Nanodraht“, legt Schuller dar. „Auf diesem Draht sitzen das Hydrogenase-Modul und das Formiat-Dehydrogenasemodul wie Pilzköpfe auf einer Leitung.“
„Vielleicht können wir einmal synthetische Nanodrähte herstellen, mit denen wir CO2 aus der Atmosphäre einfangen können. Auch die biologische Wasserstoffspeicherung jetzt ist einen Schritt näher gerückt“, erklärt Volker Müller.
Vollständige Pressemitteilung von Dr. Markus Bernard:
Originalpublikation: https://doi.org/10.1038/s41586-022-04971-z