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Anerkanntes biologisches Artenkonzept auf dem Prüfstand – LOEWE-Zentrum TBG veröffentlicht Studie zur biologischen Artbildung mit Zwischenstufen

Zuckmücken der Art Chironomus riparius kommen in weiten Teilen Europas vor. Genauso wie ihre äußerlich identische Schwesternart Chironomus piger können sie den Menschen nicht stechen.
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Zuckmücken der Art Chironomus riparius kommen in weiten Teilen Europas vor. Genauso wie ihre äußerlich identische Schwesternart Chironomus piger können sie den Menschen nicht stechen.

In der Biologie entstehen durch Aufspaltungen immer wieder neue Arten von Lebewesen. Bisher geht man aber davon aus, dass regelmäßige Paarungen zwischen unterschiedlichen Gruppen einer Art dies verhindern. Neuere Forschungsergebnisse lassen hingegen darauf schließen, dass unter bestimmten Umständen die Bildung einer neuen Art trotz des regelmäßigen Austauschs der Erbinformationen möglich sein kann. Wie weit dieses Phänomen verbreitet ist und wie der Aufspaltungsprozess abläuft, ist bislang noch unklar.

Eine Studie mit neuen Erkenntnissen von Forscherinnen und Forschern des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums wurde kürzlich im Fachmagazin „Evolution Letters“ veröffentlicht. Dafür analysierten sie die Genome von Individuen zweier Zuckmücken-Arten, die ähnliche Verbreitungsgebiete haben, aber verschiedene ökologische Lebensräume bevorzugen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass sich die beiden Arten vor circa 700.000 Jahren in einen Aufspaltungsprozess begaben, der jedoch ohne vollständige gegenseitige Isolation des Genoms wieder endete. Seitdem kommt es immer wieder zu Paarungen zwischen den beiden Mückenarten, bei denen 70 Prozent ihres Erbguts ausgetauscht werden. Das Besondere daran: Die Arten bleiben trotzdem ökologisch erkennbar verschieden.

„Diese neuen Erkenntnisse verändern unser Konzept von einer biologischen Art. Offensichtlich ist ein komplett eigenständiges Genom keine Voraussetzung dafür, sondern es gibt stabile Zwischenstufen, bei denen sich verwandte, gut charakterisierte Arten trotz großer genomischer Überschneidungen ihre Eigenständigkeit erhalten. Daran wollen wir nun weiter forschen“, so der Studienleiter Prof. Dr. Markus Pfenninger.